Genossenschaften
Genossenschaftsidee
Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von Personen mit dem Ziel, durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse der Genossenschaftsmitglieder zu fördern.
Der Name der Genossenschaft, ihr Zweck, Tätigkeiten zur Erreichung des Zwecks, Höhe der Anteile der Mitglieder und andere Regelungen wie beispielsweise die Zusammensetzung und Arbeit des Vorstands, Aufsichtsrats und der Generalversammlung werden in der Satzung festgelegt.
Jedes Mitglied einer Genossenschaft zahlt Anteile ein und ist dadurch Miteigentümer*in der Genossenschaft. Im Gegenzug erhält jedes Mitglied ein Stimmrecht und wird in seinen Belangen durch die Genossenschaft gefördert. Nach Kündigung der Mitgliedschaft oder der Anteile, bekommt man den gezahlten Betrag (in der Regel ohne oder mit niedrigen Zinsen) wieder ausgezahlt.
Wohnungsbaugenossenschaften
Wohnungsbaugenossenschaften (WBG) versorgen ihre Mitglieder (= Mieter*innen) mit Wohnraum. Diesen Satzungszweck verfolgen sie mit dem Ankauf oder Neubau und der Bewirtschaftung von Häusern im Sinne ihrer Mieter*innen.
In Berlin gehören ca. 10% der insgesamt etwa 2 Mio. Wohnungen Genossenschaften. Ihre Angebotsmieten lagen 2024 im Median bei 8,25 EUR/m² und auch in der Spanne auf einem ähnlichen Niveau, wie die der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Im Vergleich lagen die Angebotsmieten in Berlin insgesamt im Vergleich zwischen 10 und 20 EUR/m² (Median: knapp 15 EUR/m²). (siehe IBB, Wohnungsmarktbericht 2024, Abb. 63).
Die etwa 90 WBG in Berlin lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen: kleine (junge) Genossenschaften und große Traditionsgenossenschaften.
Kleine (Junge) Genossenschaften
Viele Wohnungsgenossenschaften mit Beständen von üblicherweise unter 1.000 Wohneinheiten wurden in Berlin seit ca. 1980 gegründet. Diese Genossenschaften bilden die Mehrheit der Mitgliedsunternehmen der GIMA.
Ursprünglich oft zur Bewirtschaftung einer einzelnen Wohnanlage oder mehrerer Häuser gegründet, wachsen diese Genossenschaften mit der Zeit durch weitere Bestandsankäufe oder Neubauten.
Durch ihre junge Historie sind diese Genossenschaften mit weniger angesparten Rücklagen ausgestattet als große und ältere Genossenschaften. Zudem haben sie oft hohe gesellschaftspolitische Ansprüche, an kostendeckende Mieten, ein soziales und ökologisch nachhaltiges Wohnumfeld, eine integrierende Quartiersentwicklung und die Mitbestimmung der Mitglieder. Die Umsetzung dieser Ziele bindet zusätzliche Gelder.
Das Eigenkapital für den Kauf von neuen Häusern wird bei jungen Genossenschaften überwiegend oder vollständig aus den Genossenschaftsanteilen der durch den Ankauf hinzukommenden Mitglieder (= Mieter*innen) generiert. Dabei werden unterschiedliche Modelle für die Kombination von Pflichtanteilen und freiwilligen Anteilen genutzt, deren Grundlagen in den Satzungen geregelt sind.
Der Hauskauf durch junge Genossenschaften ist somit in der Regel mit hohem finanziellem Aufwand der Mieter*innen verbunden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass trotzdem viele Ankäufe aufgrund der Bereitschaft der Mieter*innen realisiert werden können. Dadurch sind junge Genossenschaften oft diejenigen, die bei kleineren Häusern und einer aktiven Hausgemeinschaft als Kaufinteressenten infrage kommen.
Kleine und mittlere Genossenschaften nehmen für den Ankauf und den Neubau von Häusern in der Regel staatliche Förderprogramme in Anspruch. Als Gegenleistung werden die geförderten Wohnungen im Mietpreis und bei der Neubelegung an bestimmte Bedarfsgruppen gebunden.
Beispiele in Berlin und Brandenburg: Eine für Alle eG, Forum Kreuzberg Wohngenossenschaft eG, genowo Genossenschaft für Wohnprojekte eG, GSP eG Genossenschaft selbstverwalteter Projekte, Luisenstadt eG, Mietergenossenschaft SelbstBau eG, WBG „Bremer Höhe“ eG.
Große (Traditions-) Genossenschaften
Wohnungsgenossenschaften in Berlin und Brandenburg gibt es seit über hundert Jahren. Diese Unternehmen aus der Anfangszeit des Genossenschaftswesens nennt man Traditionsgenossenschaften. Oftmals wurden sie zunächst von und zur Versorgung bestimmter Berufsgruppen mit Wohnraum gegründet. Sie haben sich im Laufe der Zeit – auch in der DDR – mit Neubauten, Ankäufen sowie (teils zwangsweisen) Fusionen zu großen Bestandshaltern entwickelt. In der DDR entstanden die sogenannten Arbeiterwohnungsgenossenschaften durch Neugründungen oder die Übernahme von bestehenden Genossenschaften.
Laut Statistiken des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) besaßen Ende 2022 die Genossenschaften unter den Verbandsmitgliedern 117.311 Wohnungen. Das waren etwa 10 Prozent der rund 1,3 Millionen Wohnungen insgesamt im Land Brandenburg, einige Genossenschaften außerhalb des BBU eingerechnet. In Berlin ist der Anteil mit etwa 190.000 Genossenschaftswohnungen bei einem Gesamtbestand von ca. zwei Millionen Wohnungen ähnlich. Der deutlich überwiegende Teil dieser Wohnungen ist im Besitz von großen Traditionsgenossenschaften.
Beispiele in Berlin und Brandenburg: Beamtenwohnungsverein zu Köpenick eG, bbg Berliner Baugenossenschaft eG, Erste Wohnungsgenossenschaft Pankow eG, GewoSüd eG, WGLi WBG Lichtenberg eG, Wohnungsbauverein Neukölln eG, Fortuna Wohnungsunternehmen eG, Ideal eG, WBG Brandenburg eG, WBG DPF eG, WBG „Karl Marx“ Potsdam eG, WBG Marzahner Tor eG, Zentrum eG.
Weitere Infos: Berliner Genossenschaftsforum
Genossenschaftsanteile
Das Eigenkapital einer Genossenschaft entsteht durch Einzahlung von Geschäftsanteilen ihrer Mitglieder. Die Höhe des Geschäftsanteils ist in der Satzung geregelt. Ordentliche Mitglieder erhalten durch Einzahlung der mitgliedsbegründenden Pflichtanteile ihr Stimmrecht und den Anspruch auf Förderung durch die Genossenschaft. Investierende Mitglieder (falls die Satzung sie zulässt) erhalten statt einem Stimmrecht oft eine Gegenleistung, z.B. in Form von Zinsen auf ihre Geschäftsanteile.
Die Summe aller Anteile eines Mitglieds wird als Geschäftsguthaben bezeichnet. Genossenschaften müssen einen gewissen Anteil der Geschäftsguthaben ihrer Mitglieder als liquide Mittel zur Rückzahlung an ausscheidende Mitglieder bereithalten. Kündigt ein Mitglied seine Mitgliedschaft oder kündbare weitere Anteile, hat es Anspruch auf Auszahlung der Geschäftsanteile unter bestimmten Voraussetzungen und Fristen, die in der Satzung geregelt sind (Auseinandersetzung). Der Pflichtanteil eines Mitglieds ist nicht gesondert kündbar und wird nur nach Kündigung der Mitgliedschaft zurückgezahlt. Die Geschäftsguthaben der Mitglieder sind ähnlich wie qualifizierte Nachrangdarlehen eine Art Risikokapital, das im Falle einer Insolvenz u.U. nicht zurückgezahlt wird, weil anderes geliehenes Kapital wie Bankdarlehen vorrangig bedient werden müssen. Allerdings ist das Risiko der Insolvenz bei Wohnungsgenossenschaften empirisch sehr gering, weil die im Eigentum befindlichen Immobilien sehr werthaltig sind und im Ernstfall verkauft werden können, um eine Insolvenz zu verhindern oder die Gläubiger ausreichend zu bedienen.
Mitgliedsbegründende Pflichtanteile
Um Mitglied in einer Genossenschaft zu werden, muss man sich mit einem Pflichtanteil an der Genossenschaft beteiligen. In der Satzung müssen die Höhe des Geschäftsanteils und die erforderliche Anzahl für den Pflichtanteil geregelt sein. Genossenschaften definieren ihre Geschäftsanteile sehr unterschiedlich. Das kann mit ihrem Alter, ihrer Größe oder auch ihrem Zweck zu tun haben.
Unter den Wohnungsgenossenschaften gibt es zwei grobe Richtungen dieses Umgangs:
Traditionsgenossenschaften sind meist weit über 50 Jahre alt und im Hinblick auf Mitgliederzahl und Umsatz tendenziell größer. Sie setzen daher in der Regel eigene Rücklagen als Eigenkapital für den Ankauf oder Neubau von Häusern ein. Junge Genossenschaften sind in der Regel kleiner. Der Kauf oder Neubau von Häusern hängt hier oft zentral von der Höhe der Geschäftsanteile ihrer Mitglieder ab, weil durch sie das erforderliche Eigenkapital finanziert wird.
Praxisbeispiel Luisenstadt eG (§ 15 der Satzung)
(1) […] Der Geschäftsanteil wird auf 260,00 Euro festgesetzt.
(2) Jedes Mitglied ist verpflichtet, mindestens einen Anteil zu übernehmen (Pflichtanteil).
In einem fiktiven Beispiel möchte die Luisenstadt eG ein Haus mit 20 Wohnungen für 3,5 Millionen Euro kaufen. Für das Bankdarlehen braucht sie Eigenkapital in Höhe von mindestens 10% vom Kaufpreis (350.000 Euro). Wenn 20 Mietparteien eine Mitgliedschaft erwerben würden, kommt mit jeweils einem Pflichtanteil aber lediglich ein Betrag von 5.200 Euro zusammen (20 neue Mitglieder á 260 Euro). In vielen Praxisfällen wie diesem sind weitere Pflichtanteile oder freiwillige Anteile notwendig, damit eine junge Genossenschaft den Ankauf finanzieren kann.
Wohnungsbezogene Pflichtanteile
Um das Eigenkapital für einen Hauskauf aufbringen zu können, verpflichten viele Genossenschaften ihre (neuen) Mitglieder per Satzung zur Einzahlung von weiteren Pflichtanteilen. Die Anzahl der Pflichtanteile wird oft nach Wohnungsgröße berechnet.
Beispiel aus der Satzung der WBG „Am Ostseeplatz“ eG
Ein Mitglied der Genossenschaft, dem das dauernde Nutzungsrecht einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes überlassen wurde, hat folgende Geschäftsanteile zu übernehmen:
Für die Überlassung
einer Wohnung | eines Geschäftsraumes | ||
bis 45 m² | 3 Anteile | bis 45 m² | 4 Anteile |
bis 60 m² | 4 Anteile | bis 60 m² | 5 Anteile |
bis 75 m² | 5 Anteile | bis 75 m² | 6 Anteile |
bis 90 m² | 6 Anteile | bis 90 m² | 7 Anteile |
über 90 m² | 10 Anteile | über 90 m² | 11 Anteile |
Beispiel aus der Satzung der Möckernkiez eG
Gemäß § 18 Absatz (2) Satz 2 der Genossenschaftssatzung ist jedes Mitglied, dem eine Wohnung überlassen wird oder überlassen worden ist, verpflichtet, eine nach folgender Formel bestimmte Anzahl von wohnungsbezogenen Pflichtanteilen (Z) zu je 500 EUR zu übernehmen:
Anzahl von wohnungsbezogenen Pflichtanteilen (Z) = Wohnfläche* x 40/100 x EUR 2.300 / EUR 500 (mathematisch gerundet auf ganze Zahlen)
Weitere (freiwillige) Geschäftsanteile
Ein Hauskauf kann unter Umständen Eigenkapital in einer Höhe erfordern, die durch die mitgliedsbegründenden oder wohnungsbezogenen Pflichtanteile nicht zusammenkommt. Die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung der Pflichtanteile in der Satzung ist für die Dynamik des Immobilienmarktes mit den dortigen Preisanstiegen nicht immer praktikabel. Deshalb regeln viele Genossenschaften, dass die Mitglieder weitere freiwillige Anteile leisten können.
Kommt im Falle eines Hauskaufs das Eigenkapital durch die satzungsmäßig festgelegten Pflichtanteile nicht zusammen und wollen die Mieter*innen im Haus dennoch den Ankauf mit einer jungen Genossenschaft realisieren, bleibt meist nur die Möglichkeit, weitere freiwillige Anteile einzuzahlen, um das erforderliche Eigenkapital zu finanzieren.
Auch Traditionsgenossenschaten ermöglichen oft freiwillige Anteile. Diese sind dann oft verzinst und bieten somit für neue wie auch alte Genossenschaftsmitglieder eine Möglichkeit, in die Genossenschaft zu investieren. Der Genossenschaft hilft dieses Geld bei Ankauf und Sanierung, da die Zinsbelastung in der Regel geringer ist als bei einem üblichen Bankkredit.
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